Ein wichtiger Teil der Yogaphilosophie ist der 8-gliedriger Pfad, den wir in Patanjalis Yoga Sutra finden. Er besteht aus 8 Stufen, deren Ziel die Erleuchtung ist.
Auf der ersten Stufe finden wir die Yamas. Das sind die Regeln über den Umgang mit anderen Menschen und der Umwelt. Zu diesen Regeln gehört z.B ehrlich sein oder nicht stehlen. Die wahrscheinlich wichtigste Tugend, die an erster Stelle aufgeführt wird, ist: Ahimsa, die Gewaltlosigkeit. Wörtlich übersetzt bedeutet ahiṃsā nicht verletzten oder nicht töten.
Nun denkt man leicht: das befolge ich doch, denn ich schlage, prügel oder erschieße ja niemand. ;P Doch Ahimsa geht weit darüber hinaus.
Wahrscheinlich hat kaum jemand noch nicht andere mit Worten verletzt – mehr oder weniger absichtlich; direkt oder hintenrum…
Wer wurde noch nicht aggressiv oder wütend in einem Konflikt? Oder hat jemand angeschrien, beleidigt, bevorurteilt…? Von verachtenden Blicken oder Rachegedanken bis hin zu Mobbing, umfasst Ahimsa eine ganze Bandbreite an innerlichen Gefühlen & äußerlichen Handlungen.
Wenn wir es positiv formulieren verlangt Ahimsa, einen liebevollen Umgang mit sich, allen Lebewesen und der Umwelt. Freundlichkeit, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Toleranz, bedingungslose Liebe, werden dabei groß geschrieben.
Wer danach lebt, erfährt inneren Frieden, der wiederum zu äußerem Frieden führt. Die Schriften sagen es so: Wer gewaltlos denkt, spricht und handelt schafft ein friedliches Umfeld.
Dazu gibt es eine kleine Anekdote, die das sehr schön beschreibt:
“Es war einmal ein Tempel in Indien, dessen Wände tausend Spiegel zierten. Als eines Tages ein Hund den Tempel betrat, sah er sich umringt von tausend Hunden und bekam es mit der Angst zu tun. Er fletschte die Zähne, knurrte und seine Nackenhaare stellten sich auf. Tausend Hunde taten es ihm gleich. In Panik rannte der Hund aus dem Tempel, überzeugt die Welt sei ein Ort voll feindlicher und bedrohlicher Hunde.
Wenig später betrat ein anderer Hund den Tempel, sah sich umringt von tausend Hunden und freute sich aus ganzem Herzen. Er wedelte mit seinem Schweif und forderte die anderen zum Spielen auf. Tausend Hunde taten es ihm gleich. Glücklich und zufrieden verließ er den Tempel, überzeugt, die Welt sei ein Ort voll friedlicher und wohlgesinnter Hunde.”
Doch verlangt Yoga nicht, dass man von heute auf morgen 100 % ahimsa leben soll.
Ein erster wichtiger Schritt ist die Gewaltlosigkeit für sich zu definieren. Neben den oben genannten Themen, fallen darunter zum Beispiel auch noch solche Fragen: Ist es ok Insekten zu vernichten? Mit dem Auto ein Frosch zu überfahren? Tierfleisch zu essen?
Ein weiterer wichtiger Schritt ist es, uns über unsere “ahimsa-Entscheidungen” bewusst zu werden. Das Bewusstsein darüber, dass man gerade wütend ist und sich fragen, warum man denn demjenigen vielleicht gerade am liebsten eine verpassen möchte.
Um noch den Bogen zu unserer Yogapraxis zu spannen:
Hier kann man sich ganz “simpel” darin üben, keine Positionen mit Gewalt zu erzwingen oder durchzuziehen. Wir versuchen uns dabei zu beobachten: was es mit uns macht, wenn etwas vielleicht nicht so gut gelingt? Kommt Frust oder Wut auf?
Wie im Alltag geht es also auch hier um das bewusste Wahrnehmen und das Reflektieren: Was bringt mir das? Was wäre die bessere Alternative?