Zu meinen häufigen Sätzen, und meiner Meinung auch mit den wichtigsten Anweisungen, im Yoga zählen „Bauchnabel zur Wirbelsäule“ bzw. „Bauchnabel nach innen und oben ziehen“. Für fortgeschrittener Yogis ist das gleichzusetzen mit „setzt die Bandhas“. Die Geübten wissen hier was zu tun ist. Damit alle mit dem Begriff sowie auch dem Hintergrund und der Wirkung von „Bauchnabel zur Wirbelsäule“ etwas anfangen können, möchte ich entsprechendes hier in diesem Artikel etwas näher erläutern.

Das Wort Bandha kommt aus dem Sanskrit und kann übersetzt werden mit binden, verschließen/ Verschluss, Siegel. Bandhas bezeichnen Körperverschlüsse, die ähnlich einem Ventil die Energie im Körper halten bzw. verteilen sollen. Diese Energie, welche als Prana in der Yogapraxis generiert bzw. aktiviert wird, soll dementsprechend dank der Bandhas nicht verloren gehen, sondern im Körper nach oben aufsteigend gelenkt werden.

Die 3 wichtigsten Bandhas sind

  • Mula Bandha: der Wurzelverschluss
  • Uddiyana Bandha: die Bauchkontraktion/ der Bauchverschluss
  • Jalandhara Bandha: das Kinnschloss, oder auch der Hals- bzw. Kehlverschluss

Wie setzte man das Bandha & was bewirkt es?

Das Setzen von Bandhas geschieht durch Muskelkontraktionen, die man mit einiger Übung konkret hervorrufen kann.
Allgemein gesagt, wird dank der Bandhas der Beckenboden und der untere Rücken geschützt, die Wirbelsäule wird aufgerichtet, man erfährt mehr Stabilität und gleichzeitig werden entsprechende Muskeln gekräftigt. Physisch werden durch diese innere Aufrichtung und Längung mehr Körper- und Selbstbewusstsein hervorgerufen und die Konzentrationsfähigkeit steigt. Energetisch betrachtet, wie eingangs schon erwähnt, sorgen Bandhas dafür, dass die Energie im Körper gehalten bzw. nach oben gelenkt wird.

Mula Bandha

Mula steht im Sanskrit für „Wurzel“.
Bei Mula Bandha wird der Beckenboden aktiviert, sprich die innerste Schicht der Beckenbodenmuskulatur kontrahiert. Diese tiefste Schicht befindet sich zwischen Geschlechtsorgan und After, weswegen man häufiger auch die Anweisung „Scham- und Steißbein bewegen sich zueinander hin“ hört. Anfänglich hilft einem die Vorstellung „Du musst auf Toilette, aber darfst nicht“. Damit werden meist alle Schließmuskeln aktiviert, doch es geht schon mal in die richtige Richtung. Mit der Zeit entwickelt man ein besseres Gefühl für diese feine Muskelkontraktion -wodurch man gleich ein tolles Beckenbodentraining macht.

„Der Unterbauch zieht sich leicht nach innen“ oder „aktiviere/ hebe den Unterbauch“, finde ich auch eine recht gute Anweisung. Dieses leichte Beckenboden nach innen und oben ziehen lässt die Beckenbodenmuskulatur anspringen. Dabei richtet sich das Steißbein nach unten und vorn, wodurch das Kreuzbein nach unten gezogen und somit der untere Rücken mehr Länge erfährt.

Damit verleiht Mula Bandha der Lendenwirbelsäule (und dadurch dem ganzen Skelett) mehr Stabilität. Man vermeidet oder korrigiert Fehlhaltungen im unteren Rücken und verhindert das Zurückkippen des Beckens in ein Hohlkreuz. Das Prana kann nicht nach unten verloren gehen, sondern wird nach oben geleitet – die Energie kommt ins fließen.

Uddiyana Bandha

Uddiyana bedeutet aus dem Sanskrit übersetzt so viel wie „aufsteigen, Reise nach oben, emporfliegen“.
Für Uddiyana Bandha wird die Bauch nach innen und der Bauchnabel nach oben gezogen. Also klassisch simpel „Bauchnabel zur Wirbelsäule / Bauchnabel nach innen und oben“. Genauer kann man sich einen Punkt zwei fingerbreit unterhalb des Bauchnabels vorstellen, der sich nach innen-oben richtet. Damit wird die Tiefenmuskulatur des Bauchbereichs (schräge und quere Bauchmuskeln) aktiviert wodurch das Zwerchfell mehr zum Brustkorb und die Bauchorgane an die Wirbelsäule gezogen werden.

Uddiyana Bandha stabilisiert den Rücken, bringt so dem Körper insgesamt mehr Stabilität, wodurch man gleichzeitig mehr Leichtigkeit spüren kann. Durch die Kompression der Bauchorgane werden eben diese massiert, was wiederum die Verdauung / das Verdauungsfeuer anregt.

In der Asanapraxis versucht man meistens beide Bandhas gleichzeitig zu setzten, was die Effekte der Stabilität und der Leichtigkeit noch verstärkt. Braucht es am „Anfang“ (der sehr relativ ist) noch viel Konzentration und Übung dafür, wird es irgendwann zum Automatismus.

Jalandhara Bandha

Aus dem Sanskrit kann man Jalandhara mit „Halten des Netzes/ Gewebes“ übersetzten.
Jalandhara Bandha wird hauptsächlich bei Atemübungen eingesetzt. Aus der Aufrichtung heraus, zieht man das Kinn sanft Richtung Brustbein und legt meist noch die Zunge an den Gaumen.
Energetisch betrachtet soll so verhindert werden, dass das Prana, unsere Lebensenergie, nicht nach oben entweichen kann. Jalandhara Bandha stimuliert die Schilddrüse, trägt zu deren ausgewogener Funktion bei und wirkt so regulierend auf den Stoffwechsel. Das Bandha nimmt Druck vom Herzen und fördert die mentale Entspannung.

Setzt man alle drei Bandhas gleichzeitig ergibt sich daraus, sozusagen als Summe, das Maha Bandha. Maha Bandha verstärkt alle genannten Wirkungen und soll erfrischend auf jede Körperzelle wirken.

Auch wenn Bandhas unter den (neueren) Yogaschülern manchmal so ein bisschen als „Yoga Mysterum“ gelten – wir benutzen sie öfters im Alltag, wenn vielleicht auch eher unbewusst, wie z.B. beim Heben eins schweren Gegenstandes, beim Aufstehen, beim Husten oder wenn wir Stoplern. In vielen Sportarten, wie Turnen, Tanzen oder Pilates sind sie ebenfalls ein wichtiger Bestandteil. Sie heißen dort nur anders. 🙂

Der Bandhas Kurz-Check

Bandhas sorgen für Stabilität im Rumpf und Länge in der Wirbelsäule, wodurch Raum für Bewegung entsteht. Die Stabilität in der Körpermitte hilft besonders bei Balancen, ob auf der Matte oder im Alltag oder bei kraftvoller körperlicher Arbeit, ob im Handstand oder im Beruf… Die achsengerechte Aufrichtung der Wirbelsäule schützt vor Fehlhaltungen und vermindert den Druck auf die Bandscheiben.
Achja, der Mythos um die Potenzsteigerung soll angeblich stimmen, mit Sicherheit aber die Vorbeugung gegen Inkontinenz. 

Kleine Beispiele aus der Asanapraxis: Wo spürt man Bandhas besonders gut?

Der Krieger 1 und 2 ohne Mula Bandha lassen einen besonders leicht ins Hohlkreuz rutschen und ohne dieses sowie Uddiyana Bandha wird es auch schnell wackelig.
In den ganzen Balancen (Baum, Adler, Leg lift etc.) verankert einen das Bandha, während der Oberkörper sich leichter (und länger) nach oben richtet.
Uddiyana Bandha kann man sehr schön erleben, taucht man aus dem Stand mit leicht angebeugten Beinen in die Vorbeuge. Hierbei kann sich bei der Ausatmung die Bauchdecke recht einfach nach innen ziehen. Der zusätzliche schöne Effekt: Bauch weg – mehr Platz um tiefer zu sinken! 😉 Bei diversen sitzenden Vorbeugen sowie Rotationen ist dies ebenfalls sehr hilfreich – längerer Rücken + mehr Raum.
Jalandhara Bandha wird wie erwähnt eher im Pranayama praktiziert, in der Asanapraxis findet man das Kinnschloss z.B. in der großen Schulterbrücke oder dem Schulterstand.